Wenn man kurz vor Weihnachten einen Anfall von Kreativität und Übereifer bekommt dann endet das in diesem speziellen Fall damit seine Weihnachtskarten selber zu drucken.
Stein des Anstoßes war eigentlich eine Weihnachtskarte die ich bekommen habe. Die war so schön bunt und ich hatte noch keine Weihnachtskarten für dieses Jahr gekauft, da dachte ich bei mir: „Du hast Bock mal sowas wie Siebdruck zu machen. Du hast noch 4 Tage bis alles bei der Post liegen muss, damit es vor Neujahr ankommt. Da muss doch was gehen.“
Nur mit einer 2 minütigen Internetrecherche und ohne genau Kenntnisse der Kunstbedarfsläden in Hamburg geht es in das Weihnachtsgeschäftsgedränge. Qype spuckte zumindest etwas von „idee“ in der Europapassage aus. Das sollte doch zum Drucken von Karten reichen.
In dem Bastelgeschäft „idee“ gab es tatsächlich jeden Menge Dinge die im ersten Moment für dieses Unterfangen nützlich sein sollten. Neben den weniger wichtigen Dingen war dies u.A.
- Zusammensteckbare Holzrahmen, hier wird später das „Sieb“ (Gaze) für mein Siebdruck drauf gespannt, doppelt hält besser, falls der erste Versuch fehl schlägt
- Acrylfarbe in der großen Tube, das ist sooo schön bunt ( und eine kleine Tube hätte es auch getan )
- Gutes Papier (200g Papier fasst sich einfach schönes an), auch hier lieber doppelt so viel wie gebraucht
- Plastikspachtel zum Verstreichen meiner Farbe über das Sieb, gibts glücklicherweise bereits im Doppelpack
Leider gab es das eigentliche Sieb/Gaze hier nicht. In der Ernüchterung, dass sich das vielleicht doch nicht mit so schlechter Vorbereitung und Zeitrahmen zu machen ist, packt man schnell noch 3 Platte Linoleum ein das dazu passende Schnitzset ein, dann kann man zur Not immer noch seine Kenntnisse aus der 5 Klasse zum Linoleum-Druck auffrischen.
Eine mobile Stichwortsuche ergab mangels guter Stichwörter und schlechtem Empfang nichts. Die Damen in der Beratung waren auch nur für die Weihnachtsaushilfe dort und können nur schwer weiterhelfen, versuchen es aber.
Baumarkt!
Eigentlich habe ich von der Anziehungskraft die ein Baumarkt auf einige männliche Vertreter haben soll noch nichts gespührt. Aber jetzt. Gleich neben IKEA gibt einen großen, das liegt in meiner Richtung ( und weiter darüber hinaus ) und ich bekomm noch ein (paar) HotDogs. Also hin.
Alles was die Jungs haben sind aber nur die normalen Fliegengitter. Die scheinen mir ein wenig grobmaschig zu sein. Trotzdem muss ich noch ein großer Tacker sein damit mein seine nicht vorhandene Gaze an dem gekauften Rahmen tackern kann. Dann gabs da noch diese Präzisionsteppichmesser / Skalpelle, damit kann ich meine Druckschablone ausschneiden. Mitgenommen. Die Tackerklammern im 5000er Paket, weil ist ja billiger. So geht das Frauen also beim Schuhkauf ?! Bin ich jetzt schon Baumarktinfiziert ?!
Ich habe also alles zusammen nur nicht meine Gaze für meinen Siebdruck. Aber für nächstes Jahr hast du dann ja alles zusammen.
Dann gehst du wenigstens nochmal zu IKEA und holst dir deine HotDogs ab. Schnell nochmal durch den Laden flitzen und noch ein/zwei große Rollen Geschenkpapier mitnehmen. Aber wer fällt dir auf dem Weg dorthin ins Auge ?! ENJE ! Enje ist 2,50m, elegant, und eigentlich ein Rollo aus feinmaschigem wasauchimmer Material. Welcome Sieb für meinen Holzrahmen. Die HotDogs sind jetzt Erfolgshotdogs und kein Frustfressen mehr ( nachdem man 35min bei IKEA an der Kasse ansteht, auch wenn das Expresskasse heißt ).
Nach Hause. Alles auspacken. Holrahmen zusammenkloppen. Ecken mit Nägeln fixieren. Auch wenn die überstehen – egal – der Rahmen hält, der zweit war also wieder mal zu viele eingekauft.
Jetzt packen wir noch Enje aus. Endstück abschneiden und endlich mal Schrauben über. Jetzt den Enje-Stoff auf den Holzrahmen gespannt. Ganz wichtig: Schön stramm spannen und die Tacker Klammern dicht setzen, sonst gehts später flöten oder gibt Wellen in der Bespannung. So ein Tacker macht außerdem ordentlich Spaß ( natürlich muss das Ding erstmal ausprobiert werden und es wird in den Schreibtisch getackert – gesteigert kann das nur noch durch einen Drucklufttacker werden ).
Jetzt wird in Photoshop (Grafikprogramm) eine kleine Vorlage, ein einfaches Muster entworfen, ausgedruckt und auf einem Stück Karton zum Ausschneiden meiner Druckschablone verwendet. Dank des neuen Scheidwerkzeugs ein Kinderspiel! Nach 15 Minuten gründlichstem Schneiden durchtrennt meinen einen wichtigen Steg in der Schablone und fängt von vorne an. Nach weiteren 30 Minuten ist die Schablone dann fein säuberlich ausgeschnitten. Es kann los gehen :)
Erstmal die Küche mit Zeitungspapier auslegen, wer weiß wo das endet. Papier, dann die Kartonschablone dann der bespannte Rahmen. Jetzt die Farbe auf den Rahmen und schön mit dem Spachtel durch das Sieb pressen. Gleich nach dem ersten Hochheben zeigt sich der Vorteil einer richtigen Siebdruckvorrichtung, in der Schablone und Siebleicht anhebbar und alle fixiert ist.
In meinem Küchensiebdruck klebt alles schön zusammen und ich muss mein Papier von Enje abziehen. Aber gut sieht es aus! Enje hat eine tolle Struktur und verleiht der dick aufgetragenen Farbe noch ein kleines Extramuster. Leider war der erste Schuss Farbe noch ein wenig mit Wasser versetzt und die Farber hat noch leichte Verlaufsränder. Das wird sicher gleich besser. Runde 2. Papier, Schablone, Enje Farbe durchdrücken, anheben, SCHEIßE. Die Katonschablone hat das Wasser dankbar aufgenommen und meine feinen Stege hat es beim Anheben dahingerafft.
Mittlerweile ist es schon recht spät und die Lust hat mich verlassen. Morgen gehts weiter. Also schnell noch alles abwaschen ( Getrocknet ist die Farbe doch ziemlich echt ).
Tag 2: Ich steige von Karton als Schablone um auf Druckerfolie. Die sollte zumindest keine Wasser aufnehmen ( ein voller Erfolg wie sich am Ende des Tages rausstellen wird ). Es vergeht also in der Vorbereitung wieder eine gewisse Zeit bis die Schablone präpariert ist. Aber dann geht es Schlag auf Schlag. Kartenproduktion wie am Fließband ( vor hunderten von Jahren ). Ein echter Siebdruckrahmen wäre echt toll. Aber Enje tut ihren Job äußerst gut. Langsam verbessert sich auch die Qualität wenn die Handgriffe sitzen. Wichtig: Immer schön feste abziehen. Dann fällt das Papier fast von alleine vom Sieb und die Kanten werden sauberer.
Unbedingt merken: Zweifeln Sie an jedem altbekannten Handgriff den Sie sonst tätigen. Ansonsten endet man auf jeden Fall mit einem bunten Gesicht weil man sich an der Nase gekratzt hat, oder eine bunten Hose wenn man sich nur kurz mal Abstützt. Regelmäßiges Kontrollieren der Socken hilft dauerhafte Farbflecken zu verhindern bevor die Farbe eingetrocknet ist.
Für die Socken schlecht, für den Produktionsprozess gut: Die Farbe trocknet schnell. Nachdem also der Boden voller einfarbig beschichteter Karten war konnte also gleich die zweite Farbschicht aufgetragen werden.
Bevor die zweite Farbe auf das Papier kommt, muss die alte Farbe aber von Enje und von den Spachteln und von der Schablone runter. Und da ist dann wieder der Vorteil einer abwaschbaren Folie als Schablone. BÄÄM. Nachdem ich mein Enje-Sieb am Vortag bereits ausgewaschen hatte, habe ich mich entschlossen den Rahmen abzuspannen und ein neues Stück Enje aufzuziehen. D.h. ich kann wieder mehr Tackern :)
Alles fertig für die zweite Runde (rot) und alles auf Anfang. Inzwischen stark routiniert gelingt alles wie am Schnürchen ( was aber immer noch mehrere Minuten pro Karten bedeutet ). Auf zu Runde drei (gelb). Die Nachbarn werden sich schon nicht beschweren wenn man um 22.30h Abends in der Wohnung tackert.
Nach 4,5 Stunden sind dann alle Farbschichten drauf. Und erst dann kommt man auf die Idee die Schablone mal wegzulassen und die drei Farben gleichzeitig auf das Sieb zu tun. Die besten Ideen kommen immer erst zum Schluss. Dieser mehr expressionistische Ansatz macht viel mehr Spaß. Also schnell hier und da noch mal ein Blatt Papier unter das Sieb gelegt und was ein Spaß das man die großen Tuben Farbe gekauft hat und jetzt richtig viel ausprobieren kann.
Über Nacht getrocknet liegen die Karten jetzt zum Pressen im Papierstapel und werden gleich beschrieben.
Ich kann dieses Farberlebnis nur weiterempfehlen! Vielleicht bedrucke ich dann demnächst mein eigenes Firmenpapier.
Ich hoffe jeder der von mir so eine Karte bekommen hat/ bekommen wird kann sich darüber freuen und weiß ganz genau, dass er/sie ein ganz wertvolles Einzelstück aus liebevoller Handarbeit bekommen hat, die aus der Sammlung von Karten ganz individuell für den Empfänger ausgewählt wurde.
In diesem Sinne wünsche ich ein frohes Weihnachtsfest, besinnliche Tage und einen guten Rutsch ins neue Jahr.
cheers.
Sebastian
und die sind super!
vielen dank!
Tolle Fotostrecke! Mein Gott, Sebastian, hast du einen Aufwand getrieben (Ich meine mit der sprachlichen Darstellung deiner Beschaffungs -erfahrungen)! Aber Glückwunsch zum Fund von ENJA, tolles material, dachte schon, Du hättest Laminatpanele statt Linoleum benutzt. Also tausend Dank für deinen Kartengruß, ein starker erdige Schlag gegen die Tintenstrahlverblassung! Schade, dass ich nicht zu hause war, vielleicht ein andermal. herzl Andreas
Respekt, ich hätte ja nicht gedacht, dass sich die Beschaffung von Kartenmaterial und die Herstellung der Karten fast so aufwändig gestaltet wie eine Wohnungsrenovierung! Ich fühle mit dir – und weiß die Karte zu schätzen, vielen Dank!
Wünsche dir (jetzt ja mit Baumarkt-Infekt) ein kreatives 2013…